Tennis Taktik
  Der Schlüssel: kontrolliertes Risiko auf Sandplatz
 

Der Schlüssel: kontrolliertes Risiko

Sandplatztennis ist eine eigene Kunst. Keine andere Unterlage erlaubt ein so variables Spiel. Ungemein zentral ist auch die Kondition.

Er muss aggressiv-kontrolliert spielen», wiederholt Swiss-Tennis-Headcoach Ivo Werner zum wiederholten Male, während er ein Trainingsspiel seines Schützlings Robin Roshardt beobachtet. Noch muss sich der Orange-Bowl-Gewinner an die rote Unterlage herantasten. «Die Sandunterlage lässt das variabelste Spiel überhaupt zu. Alles, was das Tennis ausmacht, kann hier gespielt werden. Hohe Topspin-Bälle natürlich, verschiedene Slice-Variationen, Stoppbälle, Winkelbälle», hält Ivo Werner fest. Nebst Geduld und einer hervorragenden Grundphysis gibt es für Werner primär zwei zentrale Wörter, die den Schlüssel zur Sandplatzkunst öffnen: kontrolliertes Risiko. «Ich verstehe unter diesem Begriff im Gegensatz zum totalen Risiko ein kalkuliertes Risiko. Auf Sand gilt es, die Energie der Bälle in Spin umzusetzen. Ich suche nicht zwingend die Linie und spiele vielleicht mit 80% Risiko. Der Rest ist Arbeit, auch bei den Besten», sagt Ivo Werner, der unter anderem als Coach von Petr Korda arbeitete.
Mehr noch als auf anderen Unterlagen ist auf Sand die Physis nicht von der Technik zu trennen. Deshalb setze die Vorbereitung für die Sandsaison je nach Spielerin oder Spieler auch schon im Februar oder März ein, erklärt Benedikt Linder, Headcoach Kondition beim Schweizer Tennisverband. Trainiert wird nebst der Grundausdauer spezifisch in den Bereichen Kraftausdauer und stato-dynamische Kraft. Dazu fügen sich Elemente aus den Bereichen Balance, Koordination und auch das Bremsen und Starten wird speziell geübt. Insbesondere bei einhändigen Spielern muss auch die Kraft und Explosivität über Schulterhöhe vorzugsweise mit Terabändern trainiert werden. Auch ein Prophylaxetraining für spezielle Muskelgruppen ist unabdingbar.

 

Spezifische Brems- und Startübungen für die Sandunterlage


Rutschen lernen: Je nach Spielerin oder Spieler wird bereits im März das Training mit dem Ausklingen der Hallensaison auf die Sandunterlage ausgerichtet. Im Bereich der Kraft gilt es, die Kraftausdauer und die stato-dynamische Kraft zu verbessern. (Man verharrt also in einer Position und löst sich dynamisch aus dieser statischen Position.) Diese Art von Kraft wird spezifisch für die Sandunterlage benötigt. Bei jedem Ball gibt es eine statische Phase, in der man den Ball errutscht oder schlägt, und eine dynamische Phase, in der man so schnell wie möglich versucht, aus der Rutschposition in die Grundposition zu gelangen. Auf dem Platz selbst beginnt man mit einfachen Bremsübungen.


Balance: Um den enormen Belastungen des Sandplatztennis standhalten zu können, wird bereits im Winter die Grundlagenausdauer, die dann wiederum die Ausdauer der Explosivität unterstützt, forciert trainiert. Auch intermittierende Ausdauerübungen, beispielsweise von 20 Sekunden Maximalbelastung und 30 Sekunden Pause usw., helfen mit, in längeren Ballwechseln besser bestehen zu können. Ein solcher Trainingsblock dauert mindestens 6 Minuten (3–4 Blöcke pro Lektion). Parallel dazu verlangt das Sandplatztennis Gleichgewicht und Balance. Bremsen und Starten muss nach den ersten Gewöhnungsübungen perfektioniert werden.


Stato-dynamisches Laufen: Nach der Angewöhnungsphase, in der explizit keine Tennisschuhe mit neuem Profil verwendet werden sollten, gilt es nun, das dem Sandplatztennis eigene stato-dynamische Laufen zu trainieren. Hier macht sich das intermittierende Training bemerkbar, welches die Ausdauer der Schnelligkeit begünstigt. Der Übergang vom Verharren in der Rutschphase bis zum wieder Einnehmen der Grundposition muss schnell und ohne Ausrutschen erfolgen. Das explosive Abdrücken innerhalb des stato-dynamischen Laufens bedingt ein Prophylaxetraining. Adduktoren, Abduktoren, Hamstrings, Quadrizeps und Fussmuskulatur müssen auf die Belastungen vorbereitet werden.

 

Grundlinienposition

                   
1,5 bis 2 Meter hinter der Grundlinie lautet die ungefähre Regel für die Grundlinienposition. Allerdings darf die Grundlinienposition keinesfalls stur beibehalten werden. Äussere Einflüsse wie Wind oder Nässe bedingen ein stetes Anpassen der Grundposition. Zudem richtet sich die Grundlinienposition auch nach dem Spiel des Gegners. Je nach Verlauf der Ralley wird die Grundlinienposition mehrmals gewechselt. Auch das Hineingehen in den Platz nach öffnenden Bällen ist zwingend. Verteidigungs-künstler wie etwa Rafael Nadal verstehen es, die Positionen wahlweise zu verändern.

Mentale Bereitschaft: Zu den Grundvoraussetzungen des Sandplatztennis zählt die mentale Bereitschaft, an die körperlichen Grenzen zu gehen. Die Sandunterlage erlaubt kaum ein Abkürzen von Bällen. Die Bereitschaft des Leidens ist eine
Grundvoraussetzung für ein erfolgreiches Sandplatztennis. Die Umstellung des Hallen- auf das vor allem von Topspin-Schlägen geprägte Sandtennis sollte bereits in den letzten Wochen der Hallensaision geschehen.

Service

Der Kickservice ist auf Sand der am häufigsten benutzte Aufschlag. Damit wird der Gegner gezwungen, relativ weit hinter der Grundlinie zu retournieren oder aber das Service relativ risikoreich zu attackieren. Wichtiger als die Servicegeschwindigkeit ist die Platzierung des Balles. Ein geschickt eingesetzter Kickservice erlaubt zudem auch das Einstreuen von Serve-Volley-Variationen.

Bei Gegenwind oder Nässe können vermehrt Servicevariationen eingestreut werden. Auch ein Sliceservice kann im Zusammenspiel mit Wind erfolgreich sein. Bei Nässe etwa wird der Kick mit Fortdauer des Spiels und mit dem Verschleiss der Bälle mehr und mehr neutralisiert. Bei Rückenwind kann der Kickservice zu einer gefährlichen Waffe werden. Der Gegner wird gezwungen, Bälle über Schulterhöhe zu schlagen. Vor allem einhändigen Spielern fehlt in dieser Lage oft die Kraft und Explosivität für erfolgreiche Returns.

Return

Position suchen:
Wie beim Grundlinienspiel gilt es auch beim Return, die eigene Grundlinienposition zu finden. Grundsätzlich gilt auch hier, dass die Ausgangsposition ein- bis anderthalb Meter hinter der Grundlinie ist, sicher aber deutlich weiter hinten als etwa beim Hallentennis. Mehr noch als bei den Grundschlägen hängt die Returnposition vom Service des Gegners ab. Gute Sandplatzspieler sind fähig, ihre Returnposition wahlweise zu verändern. Serviert ein Gegner relativ monoton, empfiehlt es sich, die immer gleiche Returnposition beizubehalten.

Block und Slice sind bei besonders hart geschlagenen Aufschlägen ein probates Mittel, die Servicgeschosse zu entschärfen. Während der Return-«Block» auf sämtlichen Unterlagen gespielt wird, ist der Vorhand/ Rückhand-Slice eine typische Sandplatzvariation, die etwa Guillermo Coria oder auch Roger Federer immer wieder einstreuen.

Grundschläge

Topspin, Topspin, Topspin:
Auch das moderne Sandplatztennis ist noch immer von Topspinschlägen geprägt. In den ersten Wochen der Sandplatzsaison kann der Topspin zum besseren Erfühlen durchaus übertrieben werden. Die Bewegungen sind gegenüber der Halle etwas länger. Die Vorbereitungsphase bleibt unverändert: frühes Ausholen, Vorspannung, Schlag. Dass auf Sand Bälle immer wieder verspringen, ist eine Gegebenheit, die als solche hingenommen werden muss. Grundsätzlich und insbesondere wegen dieser unbekannten Variable kommt der Beinarbeit eine zentrale Bedeutung zu. Allgemein wird in einer tieferen Hüftposition gespielt, die das für den Topspin erforderliche Explodieren aus den Beinen zulässt.

Kontrolliertes Risiko lautet das Credo von Ivo Werner. Geduld darf aber nicht mit Passivität verwechselt werden. Die Bälle werden aggressiv, aber mit viel Spin geschlagen. Sandplatztennis ist so gesehen auch ein Prozenttennis, bei dem es darum geht, den Gegner kontrolliert unter Druck zu setzen und bei ihm Ungeduld zu provozieren.

Volley/Stoppball

Kontrolliertes Risiko
gilt auch beim Volleyspiel. Anders als auf schnellen Belägen müssen Netzangriffe perfekt getimt werden. Oft bedarf es eines vorbereitenden und eines abschliessenden Volleys, ehe der Punkt gewonnen ist. Dem Passierball kommt dadurch eine gewichtige Position zu. Auch die Volleys werden insgesamt variabler als etwa in der Halle gespielt. Der Rhythmus beim Vollieren kann durchaus variiert werden. Volleys gegen die Laufrichtung sind äusserst wirkungsvoll, Gleiches gilt auch für Volleystopps.

Stoppbälle und Winkelbälle sind auf Sand mächtige Waffen. Vor allem bei Gegenwind und Nässe sind Stoppbälle (auch als Rhythmuswechsel in einer kräftezehrenden Ralley) eine hervorragende Schlagvariation. Auf der Sandunterlage wird das Winkelspiel mehr und mehr forciert. Gerade in diesem Bereich ist die Technik nicht von der Lauffertigkeit zu trennen. Einmal aus dem Platz herausgetrieben, entscheidet die Beinarbeit über einen gewonnenen oder verlorenen Punkt.

Spiel mit Wind, Sonne, Nässe

Die äusseren Einflüsse nützen:
«Der Gegner auf der anderen Seite des Netzes reicht meist aus», bringt es Ivo Werner auf den Punkt. Sandplatztennis ist eine Outdoorsportart und so Wetter, Wind, Kälte, Hitze, Nässe und Trockenheit unterworfen. Werner glaubt, dass der wichtigste Schritt zum Sandplatzttennis darin besteht, sich mental auf die sich stets veränderen Bedingungen einzulassen. «Ich gehe einen Schritt weiter. Man soll die Feinde zu Freunden machen und die äusseren Witterungsverhältnisse für das eigene Tennis nutzen.»

Nässe und Wind: Gerade im Wind sieht Werner durchaus auch einen Verbündeten. Mit Rückenwind kann ich extrem dosiert Druck aufbauen, ohne risikoreich spielen zu müssen. Bei Gegenwind bietet sich die Chance zu Stoppbällen. Auch nassen Böden gewinnt Werner neue Variationen ab. «Letztlich ist das Sandplatztennis eine Frage des Sich-Einlassens. Alle technischen Fragen kommen später. Der wichtigste Schritt erfolgt im Kopf.»

 

 
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